Demenzielle Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft schon sehr lange zu finden, wurden aber meist als „Der/Die ist halt jetzt senil.“ abgestempelt und wenig hinterfragt. Längst ist Demenz nicht mehr nur eine Angelegenheit der betagten Menschen. Ganz im Gegenteil: Die Häufigkeit in einem Alter von unter 65 davon betroffen zu werden, nimmt stetig zu. Dennoch wissen nur sehr wenige über den Krankheitsverlauf und dessen Konsequenzen Bescheid. Die zu bewältigenden Schwierigkeiten und dadurch entstehenden Lebensveränderungen bleiben meist nur innerhalb der eigenen vier Wände, da die Erkrankung immer noch mit großen Tabus und Stigmata betraut ist.

Es ist Zeit, Betroffenen Gehör zu schenken und ihnen einen wertschätzenden, liebevollen Platz in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Mit diesem Wegweiser möchten wir Betroffenen und ihren An- und Zugehörigen einen Leitfaden – zur Unterstützung ihrer schweren Situation – zur Verfügung stellen. Dieser beinhaltet unter anderem Informationen über die Erkrankung selbst, gibt aber auch eine Übersicht über bereits bestehende Betreuungsangebote in der jeweiligen steirischen Region.

Was ist Demenz?

Demenz ist eine chronisch verlaufende Krankheit. Diese beginnt anfangs meist schleichend, führt jedoch langfristig dazu, dass Erkrankte Alltagsanforderungen nicht mehr bewältigen können und auf pflegerische Unterstützung und Versorgung angewiesen sind.

Hinweise dafür können sein:

  • Einbußen in der Aufmerksamkeit und im Auffassungsvermögen
  • reduziertes Erinnerungs- und Denkvermögen
  • Überforderung bei gewohnten Alltagssituationen
  • Seh- und Sprachstörungen
  • Orientierungsverlust
  • Änderung des Sozialverhaltens bis hin zur völligen Isolation
  • Schwierigkeiten sozialen Normen gerecht zu werden
  • Veränderung der Persönlichkeit
  • Bewegungseinschränkungen
  • Harn- und Stuhlinkontinenz

Wichtig ist, stets zu bedenken, dass jeder Krankheitsverlauf anders und individuell ist, es sich lohnt genau hinzusehen und frühzeitig Hilfe einzuholen.

Demenz bedeutet somit nicht nur „etwas zu vergessen“, sondern verändert das gesamte Leben:

  • Soziale Teilhabe wird schwieriger
  • Gestaltung des eigenen Lebens
    (Wohnen, Mobilität, Energie, Bankgeschäfte, Einkaufen,…)
    „Normales“ Leben, das gesellschaftlichen Regeln folgt, ist nicht aufrechtzuhalten.
  • Rechtsfähigkeit (Vorsorgevollmacht)

„Somit erschüttert eine Demenzerkrankung das ganze Sein des Menschen – seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben.“ (Deutsches Gesundheitsministerium)

Warnsignale von Demenz

Viele Betroffene nehmen Veränderungen an sich selbst wahr. Äußern sie ihre Sorge, werden die Symptome jedoch von ihrem Umfeld häufig als eine Folge von Stress und Überlastung gedeutet und als ein vorübergehendes Phänomen gesehen. Dies führt dazu, dass die Betroffenen versuchen, die auftretenden Defizite zu verbergen und sich mit den verschiedensten Tricks behelfen. Zu jenen gehören beispielsweise die Verwendung von kleinen Notizzetteln, mehrfache Kalendereinträgen und sonstige Merkhilfen.

Häufen sich jedoch mindestens drei der hier angeführten Symptome, sollte eine Ärztin/ein Arzt des Vertrauens aufgesucht werden.

  • Das Erinnerungsvermögen lässt nach

    In Gesprächen kommt es häufig zu Satz- und Fragewiederholungen. Termine werden vergessen oder verwechselt.

  • Suche nach Gegenständen

    Gegenstände werden immer öfter an unpassenden Orten abgelegt. Eine ständige Suche und die Beschuldigung anderer Personen sind die Folgen.

  • Verlust des roten Fadens beim Lesen, Sprechen, Zuhören

    Es werden unpassende Füllwörter verwendet, Sätze unvermittelt beendet oder Aussagen vermehrt auf Alltagsfloskeln reduziert. Die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich und längeres Zuhören wird vermieden.

  • Tätigkeiten gehen nicht mehr leicht von der Hand

    Früher problemlos erledigte Routinearbeiten können nicht mehr (fehlerfrei) eigenständig durchgeführt werden. Daher werden komplexere Aufgaben immer mehr vereinfacht, indem beispielsweise nur mehr wenige Speisen zubereitet werden oder es vermieden wird, neue Orte zu besuchen.

  • Orientierungsstörungen treten auf

    Speziell an weniger bekannten Orten (in fremder Umgebung, im Urlaub, auf Reisen) kann es zu Problemen mit der Orientierung kommen. Das eigene Hotelzimmer wieder zu finden, kann sehr schwierig sein.

  • Die Kontaktfreudigkeit nimmt ab

    Häufig ziehen sich Betroffene aus dem sozialen Leben zurück, wirken antriebslos und desinteressiert. Hobbys oder Vorlieben werden nicht mehr gelebt. Angehörige haben das Gefühl, dass die Person sich „hängen lässt“.

  • Veränderungen der Persönlichkeit

    Die Stimmung und der Charakter von Menschen mit Demenz können sich verändern. Rückzug, Misstrauen, Ängstlichkeit oder Traurigkeit treten auf. Betroffene entwickeln starre Handlungsmuster bzw. Arbeitsabläufe und reagieren gereizt, wenn diese Routinen unterbrochen werden. Häufig verschlechtert sich auch das Urteilsvermögen.

Demenzformen

Weltweit leiden rund 50 Millionen Menschen an einer Form von Demenz, davon rund 11 Millionen in Europa. Im Jahr 2050 werden es weltweit rund 150 Millionen sein, davon rund 17 Millionen in Europa. In Österreich gibt es rund 130.000 Betroffene, bis 2050 wird sich diese Zahl verdoppeln. In der Steiermark gibt es aktuell rund 21.000 Betroffene, 2050 werden es etwa 35.000 sein.

Generell unterscheidet man zwischen zwei Arten von Demenzen: primäre und sekundäre. 90% der auftretenden Formen gehören zu der Gruppe der primären und sind bis zum heutigen Zeitpunkt nicht heilbar, bei sekundären Arten ist die Heilungschance nicht ausgeschlossen. Bei primären Demenzen ist das Gehirn das betroffene erkrankte Organ.

Zu den häufigsten primären Demenzen zählen:

  • Alzheimer-Demenz (60%): Diese führt zum Abbau von Nervenzellen im Gehirn, die Sprache, Planen, Handeln und die Orientierung steuern.
  • vaskuläre Demenz: Bei der vaskulären Demenz, auch gefäßbedingte Demenz genannt, kommt es zu Durchblutungsstörungen im Gehirn. Ein Beispiel dafür ist ein Schlaganfall. Betroffene haben Probleme mit der Aufmerksamkeit und der Konzentration. Weil sich ihr Denken verlangsamt, können sie komplexe Aufgaben nicht mehr richtig ausführen.
  • frontotemporale Demenz: Sie ist eine Krankheit, bei der Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns absterben. Dieser Bereich ist für die Steuerung der Emotionen und des Sozialverhalten verantwortlich.  Die Betroffenen sind oft teilnahmslos, reizbar, taktlos und enthemmt. 
  • Lewy-Body-Demenz: Dabei lagern sich kleine Eiweißreste (sogenannte Lewy-Körperchen) im Gehirn ab. Dies führt zu Sinnestäuschungen (Halluzinationen) und zu Parkinson ähnlichen Symptomen.

Andere Demenzformen sind selten. Oft treten auch Mischformen auf!

Die sekundäre Demenz ist eine Demenzform, die als Folge einer anderen Grunderkrankung entsteht. Mögliche Ursachen sind Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes, Vitaminmangelzustände, chronische Vergiftungen durch Alkohol oder Medikamente oder Depressionen.

Prävention

Es ist nicht möglich, eine Demenzerkrankung zu verhindern, jedoch das Risiko daran zu erkranken, zu reduzieren.

In erster Linie geht es darum, den eigenen Lebensstil in Richtung „gesünder“ zu ändern und die angeführten Risikofaktoren zu vermeiden.

  • Ein Bluthochdruck (> 140) im mittleren Alter erhöht das Demenzrisiko um 60%!
  • Übergewicht und Diabetes mellitus erhöhen das Risiko um 60%
  • Ebenso Rauchen: es ist im Alter über 65 der wichtigste Demenzfaktor! Studien deuten darauf hin, dass Rauchen-Aufhören noch im Alter das Demenzrisiko deutlich (!) reduziert. Apropos: auch Passivrauchen erhöht das Demenzrisiko …
  • Übermäßiger Alkoholkonsum erhöht das Demenzrisiko um etwa 20%
  • Körperliche Inaktivität birgt ein 40% erhöhtes Risiko: Studien liefern Hinweise, dass körperliche Aktivität die Hirnleistung verbessert und eine Demenz verzögert
  • Ein Schädel-Hirn-Trauma in der Vorgeschichte verdoppelt das Demenzrisiko, wenn mit Bewusstlosigkeit gekoppelt, vervierfacht es, aber auch wiederholte Traumen durch Boxen, Köpfeln beim Fußball (Achtung hinsichtlich Sport schon bei Ihren Kindern!), etc.
  • Es gibt in letzter Zeit Anzeichen dafür, dass auch chronisch gestörter Schlaf ein Risiko darstellt, an Demenz zu erkranken.

Gesundheits-, gesellschaftspolitische Maßnahmen sind gefragt, um all diese Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern:

  • (Schul-)Bildung hat den größten Einfluss auf das spätere Demenzrisiko, ist der einzig relevante Faktor vor (!) dem 45. Lj. Eine geringe Bildung erhöht das Demenzrisiko ebenso um 60%.
  • Soziale Isolation (auch 60%): Studien deuten auf bessere Hirnfunktion durch soziale Interventionen bei Älteren hin, diese gilt es daher durch gesellschaftspolitische Maßnahmen zu fördern!
  • Depression psychischer Stress scheinen das Demenzrisiko u verdoppeln: wir sollten „entschleunigen“, eine Depression gehört behandelt
  • Luftverschmutzung: v. a. Feinstaub und Stickoxide

Ein sehr bedeutender Risikofaktor stellt die Schwerhörigkeit dar, sie ist der wichtigste Risikofaktor im mittleren Lebensalter. Tritt sie bei 45-65jährigen auf, verdoppelt sich das Alzheimerrisiko im Alter: -> gehen Sie ab 45 schon zum Hörtest!

„Der Aufbau von geistigen, emotionalen, sozialkommunikativen, alltagspraktischen und körperlichen Ressourcen trägt dazu bei, dass im Falle einer eingetretenen Erkrankung die Krankheitssymptome (zum Teil: deutlich) später eintreten als ohne derartigen Ressourcenaufbau“ [Prof. Kruse: „Der Demenzkranke als Mitmensch“]

"Demenz eine Stimme geben"
Aktionsveranstaltungen zur Aufklärung über Demenz in der Steiermark
September 2023